Was zur Hölle ist ein Black Hole Converter?

 

TimelordsGot­tes Wege sind uner­gründ­lich. Er haucht den Men­schen See­len ein, begeis­tert, inspi­riert sie. Und er schenkt auf die­sem Weg einem Dok­tor ohne Namen sogar einen gan­zen Kos­mos. Ein wenig gött­li­cher Odem hat denn wohl auch die Regis­seu­rin Sybille Stein­hauer gestreift. Sie insze­nierte für die Stu­dio­bühne das Stück Der letzte der Timelords. Eine Adap­tion der bri­ti­schen Sci­ence Fiction-Serie Doc­tor Who.

Ein christ­li­ches Lai­en­spiel erzählt im Grunde nichts Neues. Sowohl die Mit­spie­ler, als auch die Zuschauer ken­nen bereits die Geschich­ten. Es geht darum, sich des Mythos zu ver­si­chern, und der wird höchst prä­zise nach­voll­zo­gen. Thea­trale Qua­li­tä­ten, dra­ma­tur­gi­sche Erfor­der­nisse ste­hen dabei zurück, hin­ter dem Aus­druck tief emp­fun­de­ner Devotion.

In unse­rer säku­la­ren Zeit, die von Agnos­tik und Athe­is­mus geprägt ist, haben wir unsere Göt­ter und Mythen arbi­tra­ri­siert – zufäl­lig gera­ten fik­tive Gestal­ten zu Kult­ob­jek­ten. Statt Iko­nen malen Künst­ler heute Mickey Mouse, Super­man oder Manga-Helden. Die Gestae der Päpste sind von den Best­sel­ler­lis­ten gerutscht. Statt­des­sen wer­den Inter­net­ar­chäo­lo­gen der­einst rie­sige Fan Fiction-Bibliotheken heben. Inspi­ra­tion bezie­hen die Schrei­ber und Maler die­ser zeit­ge­schicht­li­chen Devo­tio­na­lien nicht mehr von einer zen­tra­len Gott­heit, son­dern von den ver­schie­de­nen Hel­den aus Film-, Buch– und Comic-Reihen. Und ihnen wid­men sich auch hier und da Büh­nen­stü­cke, gewis­ser­ma­ßen Lai­en­spiele ohne Religion.

Ein sol­ches hat Sybille Stein­hauer nun für die Stu­dio­bühne geschaf­fen. Kein wei­ches Brot: Bei der Pre­miere höre ich hin­ter mir schon die Dog­ma­ti­ker rau­nen. Einige von ihnen tra­gen die ritu­elle Klei­dung: Kos­tüme der gelieb­ten Hel­den. Die Serie, um die es an die­sem Abend geht, heißt Doc­tor Who und wird bereits seit mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert von der BBC produziert.

Doc­tor Who ist ein zeit­rei­sen­der Alien, ein Timel­ord, der nahezu ewig lebt. Auch töten kann man nur schwer. Dabei sieht er einem Men­schen zum Ver­wech­seln ähn­lich und hegt große Zunei­gung zu uns Erden­bür­gern. Seit Erfin­dung der Figur im Jahre 1963 hat sich ein gigan­ti­scher Kos­mos ent­wi­ckelt, der von der Gene­sis bis ans Ende der Zeit und vom Herz des Uni­ver­sums bis an des­sen äußerste Rän­der reicht. Kein Wun­der also, dass man nicht alle Details der Serie auf Anhieb ver­ste­hen kann, wenn man mal eine Epi­sode anknipst.

Wer sich Der letzte der Timelords im E-Werk ansieht, sollte sich auch ein wenig schlau gemacht haben, worum es geht. Es lohnt sich, die Kurz­be­schrei­bung der adap­tier­ten Epi­so­den durch­zu­le­sen (mehr). Wem dann noch nicht alles klar ist, bleibt die Doc­tor Who Wiki – dort wer­den die TARDIS, der Mas­ter oder der Sonic Screw­dri­ver erschöp­fend erklärt.

Für den unbe­darf­ten Zuschauer bleibt Stein­hau­ers Insze­nie­rung durch­aus ein wenig her­me­tisch. Auch, weil sie stark auf die Dra­ma­tur­gie der Filme setzt, statt den Stoff zu thea­tra­li­sie­ren. Eini­gen im Publi­kum ste­hen am Ende die Fra­ge­zei­chen deut­lich ins Gesicht geschrie­ben. Die Dog­ma­ti­ker aber lächeln wohl­wol­lend. Sie sind auf ihre Kos­ten gekom­men. Wur­den sogar mit ein paar zusätz­li­chen Anspie­lun­gen belohnt, die garan­tiert nur sie verstehen.

Zum krö­nen­den Abschluss des Stücks kön­nen die Zuschauer dann noch selbst Teil des Mythos wer­den. Sybille Stein­hauer lädt sie ein, sich auf der Bühne foto­gra­fie­ren zu las­sen, direkt vor der ori­gi­nal­ge­treu nach­ge­bau­ten Zeit­ma­schine TARDIS. Die ist ein ech­tes Meis­ter­werk von Marc Hal­ler: Sie ist innen tat­säch­lich grö­ßer, als es von außen scheint.

Den­nis Dreher
http://www.reflexmagazin.de/2012/04/12/was-zur-holle-ist-ein-black-hole-converter/