Don’t fear the reaper
Da der Tod (Andreas Jüngling) ja auch nur ein Mensch, Verzeihung, anthropomorphes Wesen ist, braucht auch er mal Urlaub. Schließlich ist der Beruf anstrengend, dauernd muss irgendwo gestorben werden, und das Zusammenleben mit seiner spätpupertierenden siebzehnjährigen Adoptivtochter Ysabell (Marie-Christin Schwab) ist auch nicht gerade einfach. Einsam wie sie ist, haben es ihr die unglücklichen Lieben der Literatur angetan, wobei der neue Lehrling vielleicht auch was taugen könnte.
Erschwerend kommt hinzu, dass Tod in gewisser Weise eine Art Sinnkrise hat, welche er in seinem Urlaub mit verschiedenen Aktivitäten, wie z.B. Besaufen in der Bar, Tanzen in einem Club, Besuch beim Ankh-Morporker Arbeitsamt, Aushilfe bei Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper (Irmgard Oeser) als Ratte-im-Teigmantel-Verkäufer, zu bekämpfen versucht. Leider alles erfolglos. Es muss aber auch wirklich sehr deprimierend sein, wenn man nicht einen einzigen Freund hat und nie zu Partys eingeladen wird.
Da er aber nicht einfach verschwinden kann, muss eine Vertretung her. Also kommt ihm der Jüngling Mortimer (Matthias Zollisch), kurz Mort, als Lehrling grade Recht. Nach kurzer Einweisung in die Gepflogenheiten des Gewerbes macht er sich vom Acker.
Mort, der bisher noch bei keinem Job lang geblieben ist, stößt auch diesmal schnell an seine Grenzen. Hat die Ins-Jenseits-Beförderung einer Hexe (Constanze Lörner) und eines Abts (Spiridon Kittas), der sich nun auf einen neun monatigen Urlaub freut, bevor er wiedergeboren wird, noch gut geklappt, so vermasselt er es dann gründlich bei Prinzessin Keli (Sina Roth). Aber es ist nicht ausschließlich Morts Schuld. Immerhin war ja urplötzlich Armor, in weißen Shorts und auf Inline Skates, aus dem Nichts aufgetaucht und hat Mort mit seinem Pfeil getroffen. Woraufhin Mort sich in die Prinzessin verguckt und anstatt sie, ihren Attentäter (Richard Holfeld) tötet, der sie eigentlich hätte meucheln sollen.
Von da an ist das Raum-Zeit-Gefüge des Scheibenwelt-Universums beschädigt und es muss schnell eine Lösung her bevor der Chef, Tod, wiederkommt. Also auf zum Zauberer Schneidgut (Stephan Thiemann) und seiner versauten sprechenden Tür (Richard Holfeld). Gemeinsam und nach vielem Hin und Her schaffen sie es dann doch noch die Realität zu retten, wenn auch anders als gedacht, denn den Tod kann man nicht überlisten. Wenn man mal von Tods Butler Albert (Martin Seeburg) a.k.a. Albertus Malich, einst einer der größten Zauberer der Scheibenwelt, mal absieht. In diesem Fall siegt am Ende, nach einem Kampf mit vollem Körpereinsatz der Schauspieler, zwischen Tod und Mortimer, dann doch die Liebe. Denn Ysabell bleibt hartnäckig in ihrem Bestreben ihren geliebten Mortimer am Leben zu halten. Tja, und welcher Vater kann seiner Tochter schon so einen Wunsch abschlagen?
So bunt wie die Handlung sind auch die Charaktere und ihre Kostüme, wobei besonders das pinke reifrockunterstützte Kleid Ysabells immer wieder für Erheiterung beim Publikum sorgte. Ebenso wie die Tatsache, dass nicht nur die Bühne sondern Szenenweise auch der ganze Saal bespielt wurde. So kam es durchaus vor, das Schnapper wiederholt versuchte seine „frischen“ Ratten-im-Teigmantel an den Mann zu bringen. Oder man fand sich plötzlich in einem Tanzclub mit Klaviermusik (Patrick Vogel) und Livegesang (Sylvia Krüger) wieder. Neben der wunderbaren lebhaften und ebenso actionreichen Darbietung sorgten diverse berühmte Filmanleihen aus Herr der Ringe–Die zwei Türme und Riddick–Chroniken eines Kriegers für allgemeine Erheiterung.
Alles in Allem ein wirklich schönes und gelungenes Bühnenstück mit hohem Unterhaltungswert!
Carmen Käuflin
http://www.reflexmagazin.de/2014/12/18/dont-fear-the-reaper/