Blutiges Rockmusical von der Studiobühne
Blutverschmiert trete ich den Heimweg an. Nein, keine Angst, mit mir ist alles in Ordnung, ich hatte mich nur für meine Abendunterhaltung diesmal für eine Splatter-Oper entschieden: Die Studiobühne wollte „Organhandel für die Zukunft“ thematisieren, „L’Opera Genetica“, und da kommt man natürlich kaum ohne literweise (Kunst-)Blut aus.
Als die Figuren die Bühne betraten, dachte ich auch gleich an Sweeney Todd, mit seinen Freunden: Joker mit Maske, der Typ aus Grease, die Frau von Evanescence, ein chilliger Drogendealer mit Strohhut, der Sensenmann, ein echtes Schweineherz, drei Engel für Charlie im knappen Krankenschwesternkostüm als Background-Chor und noch ein paar andere verschrobene Kreaturen. Ja, das klingt nach einer kreativen Figurenkonstellation, die sich Michael Hörner (Inszenierung), Matthias Nadler (musikalische Leitung) und Friederike Franz (Dramaturgie) überlegt hatten, frei nach dem Film „Repo! The Genetic Opera“.Aus der Idee wurde nach eineinhalb Jahren intensiver Vorbereitung ein Rockmusical.Ein Musical setzt sich ja nicht nur Text, Schauspielern und Kostümen zusammen, sondern auch aus Sängern und Musik. Für letzteres wurde ein kleines Orchester zusammengestellt aus Schlagzeug (Peter Geier), Cello (Linus Neumaier), Bass (Paul Neumaier), Gitarre (Torben Tietz) und Klavier (Michael Wagenpfeil), die live das Stück untermalten. Nur singen mussten die Schauspieler noch selber.
Und das haben sie, gar nicht mal so schlecht.
Unter dem Titel „L’Opera Genetica“ kann man sich wenig vorstellen.
Es geht um eine Dystopie, also die negative Form einer idealen Welt: Ein Virus zerstörte einen Großteil der Menschheit. Da ergreift ein machthungriger Mann seine Chance: Rotti Largo, gespielt von Matthias Nadler, baut sich einen Organhandel auf. Seine drei nichtsnutzigen Kinder Luigi (Michael Hörner), Pavi (Gabor Boszik) und Amber Sweet (Sibylle Steinhauer) sind ihm da allerdings keine große Hilfe. Pavi lässt sich ständig neue Masken für sein Gesicht anfertigen und sich von den Genterns (Nadine Raddatz, Friederike Franz und Lisa Klausmann) in heißen Krankenschwestern-Outfits feiern. Luigi ist eigentlich nur auf die Herrschaft über das Imperium seines Vater aus, und Amber Sweet, mit billiger Lockenperücke und silbernem Glitzerkleid, blamiert ihren Vater mehr, als sie mit Schönheitsoperationen wieder gut machen könnte. Für ein derart schmutziges Geschäft braucht es auch immer jemanden, der die Drecksarbeit macht. Das ist in diesem Fall Nathan Wallace (Matthias Maser), der in Form des personifizierten Todes für Nachschub im Organvorratsschrank sorgt. Er ist auch sonst nicht frei von Schuld: Seine Frau kam seinetwegen zu Tode, und seine Tochter Shilo (Nele Hollering) vergiftet er jeden Tag ein wenig, um sie für sich zu behalten und einsperren zu können. Er leidet sehr an seiner doppelten Identität und schwankt laufend zwischen Auftragskiller und besorgtem Vater hin und her. Shilo glaubt, sie hätte eine Blutkrankheit und wendet sich in ihrer Einsamkeit und Verzweiflung, immer zu Hause bleiben zu müssen, an Rotti Largo. Dieser soll ihr ein Heilmittel geben. Da kommt es allerdings zum großen Showdown: Das üble Geheimnis von Shilos Vaters fliegt auf, es gibt viele Tote, es fließt umso mehr Blut. Der Höhepunkt des Blutspritzens ist für mich die Szene mit Blind Mag (Sylvia Krüger), die von GeneCo neue Augen bekommen hat, diese aber nicht innerhalb einer Frist bezahlen konnte. GeneCos Prinzip lautet, sich ihr Eigentum auf brutale Weise wiederzuholen. Dem kam sie zuvor und sticht sich Ödipus-like die Augen aus. Rot färbt sich ihr Gesicht.
Ja, für Zartbesaitete ist dieses Stück wohl nichts. Die Musik untermalt die schaurige Stimmung. Die Schauspieler bewegen sich oft inmitten des Publikums und lassen so des Zuschauers Herz schneller schlagen. Gerade Luigi versucht das Publikum einzuschüchtern und brüllt es gelegenthlich an. Farbiges Licht unterstreichen die unheimliche Stimmung.
Humor kommt auch nicht zu kurz: Als Shilo mal wieder unerlaubt das Haus verlässt und von ihrem Vater angerufen wird, der gerade ein Mädchen ermordet.
Die Studiobühne ist eine studentische Theatergruppe, die sich freut, neue Leute begrüßen zu dürfen. Ihr finanzielles Budget ist gering, doch wer sich ausprobieren möchte, ist dort genau richtig. Man kann dort nicht nur schauspielern, sonder auch inszenieren oder sich in Dramaturgie üben. Sie beschränken sich auf Texttheater, Performances kommen nicht im Spielplan vor. Der ist allerdings ziemlich voll, allein in diesem Jahr werden noch „Das Fenster zum Hof“, „Das Fest“, „Verbrennungen“, „Fahrenheit 451“, und anderes auf die Bühne gebracht.
Wer sich dafür interessiert, sollte einen Blick auf ihre Website werfen: www.studiobuehne-erlangen.de
Johanna Meyr
http://www.reflexmagazin.de/2011/02/03/lopera-genetica-blutiges-rockmusikal-von-der-studiobuhne/