Es gibt Wahrheiten die…
… nur unter der Bedingung aufgedeckt werden können, dass sie entdeckt werden. Ein Satz mit viel Potential, welches auch in dem Stück „Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad steckt. Wer die Studiobühne kennt, weiß wie es um die Möglichkeiten einer guten Aufführungen bestellt ist.
Doch anders als erwartet, haben die Schauspieler unter der Regie von Matthias Nadler und Sibylle Steinhauer die wenigen Möglichkeiten geschickt retuschiert und dem Publikum eine Inszenierung geboten, die salopp gesagt „Geil!“ war. Aber wieso lasse ich mich zu einem umgangssprachlichem Wort herab? Um dessen Sinn zu erschließen, lassen wir das gesamte Stück noch einmal Revue passieren.
Das Stück beginnt mit der Vorlesung des Testaments von der verstorbenen Mutter Nawal Marwan. Ihre beiden Kinder Jeanne und Simon werden mit dem letzten Willen konfrontiert, der darin besteht ihren Vater und ihren Bruder zu suchen. Während Jeanne sich dazu aufrafft die Suche nach ihrem Vater zu beginnen, weigert sich Simon anfangs noch und konzentriert sich auf seine Boxkämpfe. Die Suche führt Jeanne durch den ganzen Libanon und auf ihrer Reise erlebt sie eine erschütternde Erkenntnis nach der anderen. Zum Ende schließt sich Simon der Suche doch noch an und letztlich ist die Wahrheit so grauenvoll, dass es den beiden wirklich die Füße vom Boden reißt.
Die Suche und die Erschließung des Rätsels ihrer Mutter stehen im Vordergrund der Aufführung. Durch die zeitgleiche Interaktion auf der Bühne wird die vergangene Geschichte von Nawal erzählt. Durch ein Wechselspiel von Vergangenheit und Gegenwart verschmilzen die Stories miteinander und es kommt nie das Gefühl auf, dass etwas unklar bleibt. Zusätzlich ist trotz einiger technischer Macken das Licht sehr gezielt und betonend eingesetzt worden, was wiederum eine Spannung erzeugt hat — eher ein Fesseln. Die Kriegsgeschichte haben die Schauspieler auf wunderbare Art und Weise umgesetzt und ihren ganzen Schreck eindrucksvoll vermittelt. Mit lauten Hintergrundgeräuschen, überzeugenden Requisiten und brachialer Stimmgewalt konnten sie das Publikum begeistern und es mal näher oder mal ferner vom Stück halten. Diese innovative Mischung lässt sich wirklich nur noch mit „Geil!“ beschreiben.
Adrian Baumeister
http://www.reflexmagazin.de/2011/06/06/es-gibt-wahrheiten-die/