Schiller Hashtag Internet
In ihrer Inszenierung von Die Räuber verbindet die Studiobühne Erlangen einen Klassiker mit Medienkritik – #any connection?
Viel Technik in der Mitte des Raumes. Drumherum die Räuber mit Laptops, auf denen sie, unwesentliche Internet-Informationen verkündend, Ego-Shooter spielen. Laufende Fernseher in sämtlichen Ecken. Ein Chat, in dem Zuschauer während des Stückes untereinander und mit den Figuren kommunizieren können sollen (ironischerweise macht gerade hier die Technik einen Strich durch die Rechnung). Eine Moderatorin, die dies zu Beginn immer wieder ankündigt und den Ablauf des Abends erklärt.
Es soll also um die sogenannten neuen Medien und ihre Folgen gehen. Das wird schon vor dem eigentlichen Beginn der Aufführung deutlich. Reizüberflutung und Informationsüberfluss werden nicht nur dargestellt, mit dem Betreten des Raumes kann der Zuschauer eindringlich nachempfinden, was sie bedeuten.
Räuberkommunikation per Skype
Matthias Nadler verbindet in seiner Inszenierung Schillers Geschichte über die Rivalität zweier Brüder mit exzessivem Medieneinsatz. Das Telefon des alten Moors klingelt unaufhörlich, Räuberhauptmann Karl und Neuzugang Kosinsky kommunizieren per Skype und immer wieder unterbricht die Moderatorin, von schlechter Vorabendshow-Musik angekündigt, die Handlung, um überflüssige Fragen zu stellen. Der Verzicht auf eine Bühne lässt die Handlung außerdem überall stattfinden, Stimmen überlappen sich, es entsteht eine fast unerträgliche Gleichzeitigkeit verschiedenster Eindrücke, denen der Zuschauer nicht entkommen kann und auch nicht entkommen können soll.
Künstlicher Kontext
Offen bleibt bei der „unkonventionellen Aufführung“, wie ein Zuschauer sie gegenüber der Moderatorin bezeichnet, aber zunächst der Zusammenhang zum Inhalt von Schillers Text. Den erläutert schließlich das Programmheft, das erst nach der Pause zur Verfügung gestellt wird. Das Motiv der „revoltierenden Jugend“ aus den Räubern, heißt es, greift die Aufführung verkehrend auf, wenn hier eine Jugend dargestellt wird, die aufgrund von Informationszwang und Übersättigung „das Kämpfen aufgegeben hat, weil sie nicht mehr weiß wie und wofür und überhaupt wogegen“.
Auch mit Erklärung erscheint diese Kontextualisierung doch wenig naheliegend: Einseitiger und eigentlich schon aus der Mode gekommener Kulturpessimismus bezüglich Massenmedien wird mit einem Motiv begründet, das als Merkmal des Sturm und Drang einer Vielzahl an Stücken dieser Epoche zu Grunde liegt. Wesentliche Elemente, wie die bis zur Zerreißprobe getriebene emotionale Intensität kommen dabei zu kurz. Zwar verlagert sich in der zweiten Hälfte der Schwerpunkt der Inszenierung von überreizenden Aufmerksamkeitshaschern zum eigentlichen Inhalt des Stückes, die Aufnahmefähigkeit des Publikums ist zu diesem Zeitpunkt allerdings lange erschöpft.
Vera Podskalsky
http://www.reflexmagazin.de/2013/11/11/schiller-hashtag-internet/