Bizarrer Biedermann

Ein Bürger, grundsätzlich gezeichnet von Panik vor möglicher Brandstiftung, wie er sie aus der Zeitung kennt, lässt zwei Brandstifter bei sich einziehen, hilft ihnen beim Vermessen der Zündschnur und versorgt sie mit den notwendigen Streichhölzern. Bizarrerie à la Max Frisch. Die wird bei der Premiere von Biedermann und die Brandstifter inszeniert von Mirjam Novak mit Schauspielern der Studiobühne im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung Affekte im Kunstpalais, überzeugend transportiert.
Gottlieb Biedermann (Timo Sestu) macht seinem Namen alle Ehre: Im Lamentieren am Stammtisch groß, in tatsächlichen Gefahrensituationen klein. Allgegenwärtig bei all seinen Handlungen ist die Entrüstung über die scheinbar ständige Gefahr von Brandstiftern, die gerade in der Umgebung wüten. Und dann kommt Josef Schmitz (Patrick Vogel), appelliert an Biedermanns Gewissen, indem er ihn zwingt, sich als guter Mensch zu zeigen und ihn bei sich wohnen zu lassen. Josef Schmitz ist ein Brandstifter, wie auch seine Kumpanin Felicitas Eisenring (gespielt von Kristin Werner; im Original: Wilhelm Maria Eisenring), die ebenfalls bei den Biedermanns aufschlägt. Auch wenn Biedermann zu wissen scheint, wer da bei ihm einzieht, wendet er sein Unglück nicht ab, lädt die Gäste stattdessen zur Gans ein, damit sie „Freunde werden“ und wird schließlich zusammen mit seiner Frau zu ihrem Opfer.

Lehrstück ohne Lehre
Interpretationsansätze zu Frischs knappstem Stück gibt es viele. So wurden beispielsweise Bezüge zu kommunistischen Bewegungen und dem Nationalsozialismus hergestellt, die, gleich der Brandstiftung, ebenfalls vorhersehbar waren, aber nicht abgewendet wurden. Zentral bleibt dabei die Frage nach Biedermanns Verhalten. Auch wenn der Chor eine mögliche Antwort vorgibt („Der, um zu wissen, was droht, Zeitungen liest, täglich zum Frühstück entrüstet über ein fernes Ereignis […], schwerlich durchschaut er, was eben geschieht unter dem eigenen Dach“) zeigt sich im Verlauf des Stückes doch immer mehr, dass etwas Unauflösliches bleibt, dass die Figur des Biedermann vielleicht doch keine fast schon stereotype ist, wie es am Anfang scheint.
Grundsätzlich bleibt „Biedermann und die Brandstifter“ eben gerade kein Drama im Brechtschen Sinne, sondern ein „Lehrstück ohne Lehre“ und eine Burleske – gekennzeichnet durch die eigentümliche Mischung aus Komik und Makabrem.

Überzeugendes Unwohlsein
Diese Stimmung bei der Inszenierung zu transportieren und damit ein gewisses Unwohlsein auszulösen, ist keine einfache Aufgabe, die der Studiobühne aber durchaus gelingt, indem sie nah am Stück bleibt und auf ein aufwendiges Bühnenbild verzichtet. Der Lichthof des Kunstpalais zeigt sich mit seinen Emporen dabei als ideale Räumlichkeit, um verschiedene Ebenen darstellen zu können. Wenig Kulisse und kein Regietheater heißt auch, dass hohe schauspielerische Leistung gefordert ist, die, vor allem im zweiten Teil des Stücks, auch geboten wird. Szenen wie das Abendessen, zu dem Biedermann geladen hat, bei dem Schmitz mit Biedermann zusammen „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ singt, und das schließlich mit dem Brand endet, erzeugen überzeugend jene eigenartige Art von Spannung, die nicht aufgelöst wird, und genau deshalb charakteristisch für das Stück ist.
Vera Podskalsky
http://www.reflexmagazin.de/2014/04/12/bizarrer-biedermann/