Bruchstücke aus dem Leben

„Eine Liebeserklärung an die Unergründlichkeit der Sehnsucht, eine Liebeserklärung an das Meer“, beschreibt die Studiobühne Erlangen ihr neues Stück Bruchstücke auf ihrer Homepage. Am 17. März war Premiere im Frankenhofsaal. Und ja, es geht um Sehnsucht. Es geht auch um das Meer. Aber geht es nicht noch um viel mehr? Um die große Welt und die Schicksale einzelner, um Bruchstücke aus dem Leben selbst. All das komprimiert auf eine Inszenierung. Die Zuschauer werden 75 Minuten lang von einer Welle aus faszinierenden, poetischen und philosophischen Lebensgeschichten mitgerissen. Von Fragmenten aus Lebensgeschichten.
Jede der fünf Figuren ist vom Leben geprägt, ist gescheitert und enttäuscht. Die Schauspieler nehmen ihre Rolle sehr ernst und gehen in der Geschichte, die sie erzählen, vollkommen auf. Sie nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise in ihre Gedanken und Gefühle. Nacheinander gibt jeder eine weitere Facette von sich preis, bis am Ende ein Eindruck von der Persönlichkeit der Figur entsteht. Auf der Bühne stehen echte, vielschichtige Charaktere. Verschieden sind ihre Geschichten, doch sie alle haben etwas Tragisches an sich. Die Worte sind so mitreißend und philosophisch, jede Erzählung so einzigartig, dass es kaum möglich ist, den Blick abzuwenden.
Die Welt ist schön
Der Kapitän (Andreas Pommer), breitbeinig auf einem Hocker sitzend, mit einem Glas Rotwein in der Hand, erzählt von seiner großen Liebe mit Vergleichen wie: „Wir waren einander Hafen.“ Bis seine Frau im Meer versunken ist.
Der Flaschenpostschreiberling (Timo Sestu), der erst das geschriebene Wort lobt, verzweifelt später, weil er nicht mehr an die Romantik glaubt. Er spricht von „poetischem Masochismus“ und zertrümmert eine Flasche nach der anderen.
Die Netzflickerin (Lea Beifuß) tanzt über die Bühne. Doch dann wickelt sie sich in ein Netz, zeigt ihre innere Unruhe. Sie kann nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden, sagt sie.
Pong (Ralf Altmann) scheint unbekümmert zu sein, wenn er mit einem „Huiuiui!“ auf den Lippen umherhüpft und über Frauen philosophiert: „Es ist sogar vorgekommen, dass ich das linke Auge liebte, das rechte aber nicht.“ Hinter dem Komischen verbergen sich jedoch auch ernste Gedanken.
Die Kofferfrau (Julia Landgraf) wirkt abenteuerlustig. Sie klettert einfach in das Boot, das der Kapitän lenkt. Doch als sie von ihren Urgroßeltern erzählt, die glücklich zusammen waren, resigniert sie: „So schön ist das alles, wenn es schön ist. Aber meistens nur in meinem Kopf.“
Solche Zeilen sind es, die – im passenden Tempo vorgetragen – die besondere Atmosphäre im Saal bewirken. Im Mittelpunkt der ganzen Inszenierung von Sandra Knocke und Anna Hampel stehen die Figuren mit ihren Geschichten. Literatur begegnet Theater. „Ahoi, die Welt ist schön“, sagt der Kapitän zum Abschluss völlig resigniert. Lesen kann den Satz natürlich jeder auf seine Weise, vielleicht sogar mit einem Schuss Optimismus.
Patricia Achter
Weitere Vorstellungen: 19. und 20. März, jeweils um 19.30 Uhr im Saal des Frankenhofhttp://www.reflexmagazin.de/2015/03/19/bruchstuecke-aus-dem-leben/