Liebe und Wahn liegen nah beieinander
Nicht zum ersten, aber zum allerersten Mal in Erlangen füllten sich am Donnerstag die Reihen vor einer dunklen Bühne im Ewerk zum „Katharsis.Doublefeature“ der Studiobühne. Und bereits das düstere Bühnenbild mit einer einsamen Frau mit leeren Blick im Zentrum lässt erahnen: Das wird kein Abend, der die Liebe als etwas wahnsinnig Schönes stilisiert.
4 48 Psychose
Sarah Kane, die Autorin der beiden aufgeführten Werke, ist dafür ja auch nicht bekannt. Die britische Dramatikerin steht für extreme, fragmentartige Stücke, die stets um nichts Geringeres als die Fragen kreisen, die den Kern des Mensch-Seins betreffen, wenn alles brach liegt und es keinen äußeren Halt mehr gibt: Was ist das Leben wert? Wie lange ist es noch lebenswert? Was ist Liebe und wie weit will und kann man für sie gehen?
Klare Momente und dunkle Abgründe
So eindringlich wie diese Fragen ist auch die Inszenierung der beiden Stücke. „4:48 Psychose“, das letzte Werk der Autorin vor ihrem Selbstmord, zeigt in einer dichten Aneinanderreihung von Monologen, Dialogfetzen und Wort– und Zahlenreihen die Innenwelt von Menschen, die ihrem Wahn ausgeliefert sind. Die Insassen einer psychiatrischen Anstalt werden von Ärzten betreut, die, anonymisiert durch weiße Masken, wenig Unterstützung versprechen, sondern ihren Patienten vielmehr den letzten Halt rauben. Die Verzweiflung in den wirren Dialogen zwischen Patienten und Aufsehern zieht das Publikum ebenso in seinen Bann wie die plötzlichen wachen Momente der Todessüchtigen, die um 4:48 Uhr plötzlich mit voller Klarheit mit ihrer Existenz konfrontiert werden und daran zerbrechen.
Liebe auf dem Prüfstand
Trotz oder vielleicht gerade wegen der kurzen Probenphase von nur zwei Wochen drängt sich dieser kurze Ausschnitt aus dem Erleben einer Existenz am Rande des Abgrunds mit einer enormen Intensität auf, die in der zweiten Inszenierung „gesäubert“ noch gesteigert wird. In einem ähnlichen Setting experimentiert der Pfleger Tinker mit den Grenzen der Liebe in all ihren Spielarten. Die Insassen werden von ihm in einen Strudel aus Gewalt und Verstümmlung gezogen, bis jeder an seiner Liebe, die in zuvor mit einem der anderen verband, zugrunde geht. Wie sich dabei alle Personen aufeinander beziehen und ihre Schicksale ineinander verwoben sind, wird durch eine simple aber effektvolle Metaphorik klar. Jeder der Akteure hinterlässt bei der Berührung eines anderen eine sichtbare Marke: Eine Farbspur auf dem weißen Hemd des anderen. Zuletzt ist keiner mehr blank und die Personen sind kaum noch zu unterscheiden.
Noch lange nicht gesäubert
Eine Katharsis, also das Reinwaschen von allen negativen Emotionen, dürfte sich bei den meisten Zuschauern nach eineinhalb Stunden intensivster Gefühle lange nicht eingestellt haben. Zu sehr verlässt man den Saal voller Fragen und Gedanken zu den in den beiden Stücken aufgeworfenen Fragen. Und das trotz der finalen Konfettiherzen zum Mitnachhausenehmen.
Kathrin Penk
http://www.reflexmagazin.de/2013/08/05/liebe-und-wahn-liegen-nahe-beieinander/