Verwirrendes Chaos namens Familie
Nordbayern.de – 02.11.2016 – hsh – Erlanger Nachrichten
Erlangen: Verwirrendes Chaos namens Familie
Bei „Family Values“ werden gängige Formen von Familie hinterfragt und eine neue Art von Theater erkundet – vor 1 Stunde
ERLANGEN – Das neue Theaterstück von Anne Hoffmann und Michael Hörner, das am Samstag erstmals aufgeführt worden ist, heißt „Family Values“. Auf Deutsch bedeutet das in etwa „familiäre Werte“. Aber was sind überhaupt familiäre Werte? Wie muss, darf oder kann Familie überhaupt sein? Was ist Familie? Genau mit diesen Fragen beschäftigt sich das Stück, das in enger Kooperation mit der Studiobühne entstanden ist.
„Familiy Values“ ist ein Theaterstück der etwas anderen Art, das sich auf teils irritierende Weise mit dem Thema „Familie“ auseinandersetzt — noch drei Mal zu sehen im Kunstpalais.© Foto: Harald Hofmann
„Family Values“ wird als Theaterstück beworben, ist aber viel mehr als das. Es ist eine Multivision, gearbeitet wird mit Schauspielern, die live auf der Bühne, oder aber in Interviewsituationen auf Leinwand zu sehen sind. Hier wird nicht eine Geschichte erzählt, sondern viele unterschiedliche. Sie alle handeln von Familie im weitesten Sinne. Es geht dabei um den Erziehungsstil der Eltern, um gescheiterte Ehen, überforderte Väter, Patchworkfamilien und vieles mehr.
Die Schauspieler verkörpern nicht selten Personen, die nicht mit ihrem Äußeren übereinstimmen. Kurz: Männer werden von Frauen gespielt, Frauen von Männern, ein kleines Mädchen von einer alten Frau. In Zwischensequenzen betrachten die Zuschauer minutenlang, wie eine Hand in Nahaufnahme Daunenfedern auf eine Oberfläche legt. All das ist verwirrend und lässt sich nicht mit rationalen Argumenten erklären. Aber darum geht es auch gar nicht, das wird schnell deutlich. „Family Values“ präsentiert dem Publikum keine absolute Wahrheit und keine Lehrbuchdefinition dessen, wie Familie zu sein hat. Vielmehr werden unterschiedlichste Lebensformen und Lebenssituationen aufgezeigt: Mal sieht man nur einer jungen Frau dabei zu, wie sie sich schminkt, während ihre Stimme von glücklichen polyamorösen Beziehungen erzählt, mal wird wunderbar ängstlich-neurotisch die Geschichte einer verkorksten Kindheit gemurmelt und zuweilen herausgeschrien, mal wird das Publikum recht sachlich über die Hürden und Unmenschlichkeiten im Adoptionsrecht unterrichtet. Wie viele autobiografische Elemente im Theaterstück enthalten sind, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist aber, dass es nachdenklich stimmt, ohne depressive Stimmung zu verbreiten. Es findet sich wohl nicht jeder in einer der doch recht extremen Rollen wieder. Dennoch schafft das Stück Verständnis und hinterlässt eine klare Botschaft: Egal ob konventionell oder alternativ: Hauptsache, ihr seid glücklich!
Wer die Premiere verpasst hat, kann „Family Values“ noch am 2., 4. oder 5. November im Kunstpalais erleben.
hsh
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