Verzweiflung auf den Turnmatten
Studiobühne Erlangen zeigt „Spieltrieb“ nach Juli Zeh – Perfekt getimter Reigen
Zwei sind einer zuviel: Die Studiobühne Erlangen zeigt derzeit im Saal des Frankenhofs (Eingang Raumerstraße) das Stück „Spieltrieb“, nach dem gleichnamigen Roman von Juli Zeh in einer Bearbeitung von Bernhard Studlar.
Der Kniff ist so einfach wie effizient: Man spalte die beiden jugendlichen Protagonisten auf jeweils zwei Schauspieler auf und erhalte dadruch mehr Figuren-Präsenz. Manchmal synchron, manchmal solisitsch wir dann agiert, was die Sache noch spannender, nachgerade kaleidoskopartiger macht. Die Autorin Juli Zehl erzählt in ihrer „Törless“-Paraphrase von Jugendlichen mit arroganten Überlegenheitsgefühl, die sich auf eine üble Spielerei mit Lehrern einlassen. Verführung und verführt werden, adolszente Unsicherheit, krude Philosophiererei, brachiale Hybris – in einem solchen Schmelztiegel werden Gefühlslagen untersucht und ausgetestet, und – ja, auch – Existenzen durchgeschüttelt und auch zerstört.
Die Regiesseurinnen Julia März und Mona Neugebauer machen aus dem Treiben einen Jogging Parcours, auf Turnmatten wird gestritten, diskutiert, geliebt.Die Emotionen und Gedanken der Handelnden werden expressiv ins Bild gerückt: Wenn Lehrer Smutek und seine Frau verzweifelt versuchen, an frühere Gefühlswelten anzuknüpfen, kommt dies genauso stark rüber wie Smuteks ohnmächtige Verzweiflung über sein steckengebliebenes Leben. Die Schülerin Ada, zum bösen Verführungsspiel angestachelt vom zynischen Alev, verheißt einen möglichen Ausweg aus der Sackgasse, aber es ist ja alles nur ein Spiel.
Atmosphärisch sehr stark, was die Schauspieler der Studiobühne aus Zehs Prosa-Kopfgeburt machen: In einem perfekt getimten, minimalistischen Szenen-Reigen schlüsseln sich ungemein fesselnd Verhaltensweisen, -muster und dräuender Nihilismus auf. Psychologisch gut beobachtet, entschlackt von allzu viel Bedeutungshuberei der Vorlage. Und gut gespielt!
aus den Erlanger Nachrichten am 06.05.2014.
Autor: Michael Koch.