Na wenn wir es schon machen, dann machen wir es auch anders

SAM3Am 14. Juli 20.00 Uhr hat die Stu­dio­bühne Erlan­gen, eine haupt­säch­lich aus Stu­den­ten beste­hende Thea­ter­gruppe, auf der Club­bühne im E-Werk ihre Pre­miere von „War­ten auf Godot“. Dass sich die Stu­dio­bühne immer wie­der mutig an gro­ßen Stoff wagt, ist uns inzwi­schen bekannt. Wie aber stel­len sie es sich vor, mit Stu­den­ten ein Stück zu insze­nie­ren, dass von alten Män­nern domi­niert ist? re>flex hat den Regis­seur, Michael Hör­ner, im E-Werk getrof­fen und ihn dazu befragt.

Ich sitze unter dem Maril­len­baum im Hof des E-Werks und warte. Als ich vor­hin auf die Club­bühne kam, waren da oben gerade die Auf­bau­ar­bei­ten für die Bühne in vol­lem Gange. „Da kommt dann der Baum hin,“ sagte Michael und deu­tete auf einen unbe­stimm­ten Fleck mit­ten im Raum. Und zu mir: „Du, ich brauch noch zehn Minu­ten. Geht das in Ord­nung?“ Klar, geht. Die Auf­füh­rung wird also nicht auf der Bühne statt­fin­den. Sehr gut, mal etwas ande­res. Wäh­rend ich unten im Schat­ten warte, blät­tere ich das E-Werk-Programm für August und Sep­tem­ber durch. Super­span­nend! Die Beatsteaks, Axel Hacke, lau­ter Pop­sän­ger aus Island, Poe­try Slam, Good Char­lotte, Char­lotte Roche. Letz­te­res muss ich nicht unbe­dingt haben. Alles andere schon. Und als ich mir alle Ter­mine in mei­nen Kalen­der kopiert habe, kommt auch schon Michael und setzt sich mir gegenüber.

Hör­ner: Also?

Reflex: Also…deine wie­vielte Insze­nie­rung ist das hier?

Hör­ner: Hier und gene­rell ist das jetzt meine zweite. Ich habe vor­her noch keine Insze­nie­rung gemacht, ich hab aber ein biss­chen Schau­spie­le­rei gemacht auf der Stu­dio­bühne und die letzte Insze­nie­rung war auch keine Ein-Mann-Show. Die gene­ti­sche Oper war so auf­wen­dig, dass wir uns im End­ef­fekt auf­tei­len muss­ten. Also gab es einen musi­ka­li­schen Lei­ter, eine Dra­ma­tur­gin, die zwar Dra­ma­tur­gin hieß aber eigent­lich viel mehr machte. Das war eigent­lich mehr Team­ar­beit. Das hier ist der erste, naja, etwas mehr Allein­gang. Obwohl auch jetzt ein gro­ßes Team hin­ter dem Pro­jekt steht. Dra­ma­tur­gie (Elena Weiß), Kos­tüm (Wie­de­mann) und so wei­ter. Das ist also wie­der keine Ein-Mann-Show.

Reflex: Du stu­dierst Medi­en­wis­sen­schaf­ten im Mas­ter. In wel­chem Semes­ter muss man sein, um neben­bei noch so große Pro­jekte wie eigene Insze­nie­run­gen stem­men zu können?

Hör­ner: Prin­zi­pi­ell hätte ich mir das in den ers­ten Bache­lor­se­mes­tern nie zuge­traut, ich hab auch erst spä­ter damit ange­fan­gen. Das kam erst im zwei­ten und drit­ten Semes­ter. Sicher kann man so was auch vor­her schaf­fen. Es kommt immer dar­auf an, wie­viel man in die Uni geht und studiert.

Reflex: Kom­men wir mal zu Godot.

Hör­ner: Kom­men wir mal zu Godot.

Reflex: Warum die­ses Stück?

Hör­ner: Zunächst war Beckett ange­dacht, ganz gene­rell. Ich dachte zuerst an „End­spiel“, hab es dann auch noch­mal gele­sen und fest­ge­stellt, dass es eine gewisse Grenze über­schrei­tet. „War­ten auf Godot“, wo es immer auf die­ser Kippe steht zwi­schen depri­mie­rend und aber auch einer gewis­sen Clown­show, die­sem Kla­mauk, ist es ein­fach bes­ser. Und „End­spiel“ über­schrei­tet ein­fach mit sei­ner Sta­tik die Grenze Rich­tung Still­stand zu sehr. Das ist zwar von der Idee her sehr schön, aber auf der Bühne bewegt sich zu wenig. Und ich wollte was haben, das sich bewegt. Das wäre mir bei „End­spiel“, schon durch die Tat­sa­che, dass einer im Roll­stuhl sitzt, zu karg gewe­sen. „War­ten auf Godot“ hat sich im Nach­hin­ein auf jeden Fall als die rich­tige Wahl herausgestellt.

Reflex: Hast du nur die deut­sche Ver­sion gele­sen, oder auch die englische?

Hör­ner: Ich hab nur die deut­sche gele­sen. Obwohl, nee, warte, ich hatte anfangs eine drei­spra­chige Aus­gabe… Ins Eng­li­sche hab ich dann immer mal rein­ge­schaut und grob ver­gli­chen, aber durch­ge­le­sen hab ichs nicht. Ich mein, die Aus­gangs­spra­che wäre ja ohne­hin Fran­zö­sisch gewe­sen. Das kann ich nicht gut.

Reflex: Estra­gon und Wla­di­mir wer­den von Stu­den­ten gespielt. Eigent­lich han­delt es sich in dem Stück ja um alte Män­ner. Wie stellst du dir das vor?

Hör­ner: Ich seh da jetzt kei­nen Wider­spruch… Quatsch, es ist natür­lich ein Wider­spruch, aber der Punkt ist: So deut­lich kommt es eigent­lich im Stück nicht wirk­lich raus, dass es alte Män­ner sind. Es wird im Text immer the­ma­ti­siert, klar, aber ich finde nicht, dass man das zwangs­läu­fig umset­zen muss. Was ich immer wie­der bei Insze­nie­run­gen des Stücks fest­ge­stellt habe ist, dass sie immer ein Stück weit gleich aus­se­hen, das sind immer Leute mit Melo­nen, die in der Gegend her­um­ste­hen. Und auch das ist ja mit kei­nem Wort im Text erwähnt. Es gibt keine Anwei­sun­gen für die Kos­tüme im Text. Und des­halb haben wir uns gesagt: Na, wenn wir das schon machen, dann machen wir es auch anders. Und dass es junge Män­ner sind, wie soll ich sagen, du wirst es dann sehen, dass da schon ein gewis­ser Alters­un­ter­schied zwi­schen den bei­den Figu­ren ange­deu­tet wird und man auch Stu­den­ten fin­den kann, die älter spie­len kön­nen. Das ist also nicht so ein gro­ßes Problem.

Reflex: Wenn du dir eine Figur aus „War­ten auf Godot“ suchen müss­test, wel­che wäre das?

Hör­ner: Eine ein­zelne Figur eigent­lich nie. Der Punkt ist der, die­ses Stück funk­tio­niert ja nur durch, vor­ran­gig durch das Duo und die Ergän­zung zu die­sem Vierer-Gespann. Und eine Ein­zel­fi­gur ist eigent­lich schwer raus zu iso­lie­ren, weil sie sind nicht schlüs­sig genug in sich. Also man kann, wenn ich Domi­nan­ten­ver­schie­bung beob­achte zum Bei­spiel, es ist ja nie so, dass da einer sagt, wo es lang­geht und der andere sagt nicht, wo es lang­geht, das wech­selt immer durch. Die haben keine rich­ti­gen Per­sön­lich­kei­ten, wenn man es genau nimmt.

Reflex: In der nächs­ten Spiel­zeit wird das Thea­ter Erlan­gen auch „War­ten auf Godot“ insze­nie­ren. Wirst du hingehen?

Hör­ner: Och, das weiß ich noch nicht. Wahr­schein­lich wer­den wir eine Art Aus­flug machen. Wir wer­den alle hin­ge­hen und es uns anschauen, aber es ist natür­lich immer so eine Sache, sich die eige­nen Stü­cke anzu­se­hen, da ist man nie wirk­lich glück­lich oder zufrie­den. Man hätte es immer irgend­wie anders gemacht und das ver­dirbt es einem immer schon von vorn­her­ein. Wenn du etwas mal insze­niert hast, ist es schwer, sich das dann noch­mal von jeman­dem ande­ren anzu­schauen. Bei mir ist es zumin­dest so.

Reflex: Ihr habt eine Frau im Ensem­ble. Oder?

Hör­ner: Mh. Weiß nicht.(lächelt)

Reflex: Nach „Godot“, was wird das nächste sein?

Hör­ner: Och, du, keine Ahnung. Ich habe kei­nen blas­sen Dunst, ob ich in nächs­ter Zeit insze­nie­ren will, aber es ste­hen natür­lich schon einige Stü­cke auf dem Spiel­plan, in denen man Rol­len über­neh­men kann. Das ein­zige, was ich bis­her sicher weiß, ist, dass ich bei „Mon­key Island“ dabei sein werde. Das ist, so Gott will, für Januar nächs­ten Jah­res angesetzt.

Reflex: Was ist deine Lieb­lings­stelle in „War­ten auf Godot“?

Hör­ner: Das Schluss­bild!  Das Schluss­bild ist groß­ar­tig, weil es beide Aspekte des Tex­tes kom­plett in sich ver­eint, die­ses total Lächer­li­che und die­ses Depressive.

Reflex: Vie­len Dank.

Junge Män­ner als Estra­gon und Wla­di­mir, eine Frau, alles anders außer dem Baum. Das klingt sehr span­nend! Wer es am 14. Juli nicht schafft, ins E-Werk zu gehen, der hat am 20. und 21. Juli noch ein­mal die Chance dazu. Viel Spaß!

Paula Linke
http://www.reflexmagazin.de/2011/07/14/na-wenn-wir-es-schon-machen-dann-machen-wir-es-auch-anders-ein-interview-zu-warten-auf-godot-studiobuhne-erlangen/