FAUBlog – Alice

Alice im Wunderland“ als Live-Hörspiel für Groß und Klein an der Studiobühne Erlangen – Ein Interview mit der Regisseurin Nadine Raddatz

Dienstag, 10. Januar 2017                                                 

Die Grinsekatze darf bei keiner Produktion von „Alice im Wunderland“ fehlen (Bild: Studiobühne Erlangen e.V.)

„Alice im Wunderland“ ist ein Kinderbuch des britischen Schriftstellers Lewis Carroll, das fantasievolle und verrückte Bilder im Kopf unzähliger junger wie alter Leser entstehen lässt. Auch Nadine Raddatz, Masterstudentin der Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Museumsarbeit an der FAU, fasziniert dieser Stoff schon seit ihrer Kindheit. Sie ist seit 2011 Mitglied und neuerdings sogar im Vorstand der Studiobühne Erlangen e.V. und hat dort bereits bei 20 Produktionen mitgewirkt. Nun bearbeitet sie „Alice im Wunderland“ in einer neuen, eigenwilligen Form, nämlich als Live-Hörspiel. Am 11., 12. und 13. Januar 2017 finden die Aufführungen von „Alice“ im Saal der Mensa am Langemarckplatz in Erlangen statt. Hier schon einmal ein kleiner Vorgeschmack auf die klangvolle und kunterbunte Inszenierung, welche neben den Schauspieler-Stimmen vor allem von live erzeugten Hintergrundgeräuschen lebt; die selbst ausgedachten Instrumente bringen einen dabei oftmals zum Schmunzeln. Bei einem Besuch im Probenraum der Studiobühne in Dechsendorf beantwortete die Regisseurin Nadine Raddatz einige spannende Fragen zu ihrer neuen Produktion.

Hallo, Nadine! Du bereicherst das Team der Studiobühne Erlangen schon seit einigen Jahren und bist als Schauspielerin, aber auch als Regisseurin und in den Bereichen Kostüm und Maske aktiv. Warum nun das bekannte Werk „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll?

Nadine: Ich habe „Alice“ ja schon einmal an der Studiobühne inszeniert: „Alice D“. Allerdings war es damals eine andere Interpretation des Stoffes, die mehr auf die hineininterpretierte psychologische Tiefe abgezielt hat. Alice hat psychische Probleme, ist auf einem Trip und ziemlich abgedriftet. Dieses Mal wollte ich aber mehr Wert auf den Originaltext legen, weil ich das Buch „Alice im Wunderland“ sehr gerne mag. Wenn man es durchliest, stellt man fest: Es ist unglaublich witzig. Doch wir mussten sehr viel herausstreichen, ungefähr zwei Drittel des Textes. Das Problem ist, dass das Buch zu einem Großteil aus Rätselgedichten besteht, die leider in keiner deutschen Übersetzung funktionieren, sondern nur in der Originalsprache Englisch. Denn es stecken so viele Mehrdeutigkeiten darin, die man auf Deutsch nicht rüberbringen kann. Aber ein paar Wortspiele, die gut zu übersetzen sind, haben wir gelassen. Was mir wichtig ist: „Alice“ ist sehr unterhaltsam. Und bei all den verschiedenen Interpretationen der letzten Jahre, bei denen der Originaltext nicht so sehr im Mittelpunkt steht, finde ich das geschriebene Wort von Lewis Carroll immer noch am schönsten.

Nadine Raddatz, Regisseurin des Live-Hörspiels (foto: Anna Appel)

Was fasziniert Dich so sehr an dem „Alice“-Stoff?

Nadine: „Alice im Wunderland“ ist das Buch, das ich in meinem Leben tatsächlich am häufigsten gelesen habe. Und es ist ein Kinderbuch. Ich habe meine Idee bei unserer Mitgliederversammlung so beworben: Ich mache ein Hörspiel und ein Hörspiel ist nicht nur etwas für Kinder. Ich mache „Alice im Wunderland“ und „Alice im Wunderland“ ist nicht nur etwas für Kinder. Ich denke, die fantastischen Welten, die Wortspiele und das Mädchen, das laut verschiedenen Interpretationen versucht, sich selbst zu finden, das seine Größe ändert und mit skurrilen Charakteren spricht, bilden die eine Ebene des Werkes. Auf einer anderen Ebene ist „Alice“ einfach dennoch lustig. Es muss nicht so durchdacht sein. Ich finde es sehr faszinierend, dass Leute verschiedener Schichten seit über 150 Jahren dieses Buch lesen. Queen Victoria war zur Entstehungszeit von „Alice“ so begeistert davon, dass sie Lewis Carroll bat, ihr ein Buch zu widmen. Das hat er auch getan: Er widmete ihr ein Buch über mathematische Rätsel, wovon sie nicht sehr angetan war. Das schreibt Carroll nämlich eigentlich: mathematische Rätsel. „Alice im Wunderland“ und die Fortsetzung „Alice hinter den Spiegeln“ sind die einzigen beiden Kinderbücher, die er geschrieben hat.

Und wie kam es zu der Idee eines Live-Hörspiels – ein Genre, mit dem die Studiobühne völlig neues Terrain betritt?

Nadine: Gerade in dieser Spielzeit haben wir zufälligerweise mehrere Stücke, welche in die Richtung Hörspiel arbeiten, zum Beispiel auch „Woyzeck“. Ich bin seit Kinderzeiten ein großer Fan von „Die drei ???“ und Ähnlichem und schaue mir das auch unglaublich gerne live an. Es ist natürlich toll, das Ganze zu hören. Aber dann auch noch zu sehen, mit welchen Gegenständen welche Geräusche gemacht werden, ist wirklich interessant. Wir imitieren beispielsweise mit Reis ein Meer.

Nadine, „Alice im Wunderland“ wurde bisher vor allem für Medien adaptiert, in denen das Visuelle dominiert. Warum wolltest Du diesen Stoff trotzdem als Hörspiel inszenieren?

Nadine: Es ist viel eindrucksvoller, wenn man Dinge sagt und Anleitungen dazu gibt, aber nicht alles komplett den Zuschauern zeigt, sondern das endgültige Stück in ihren Köpfen entstehen kann. Jeder hat entweder die neuen Tim Burton-Verfilmungen oder die Disney-Version oder eine Comic-Variante von „Alice“ im Kopf. Es ist schön, dass man die verschiedensten Stimmungen bei den Leuten erzeugen kann, indem man einfach nur die Charaktere wiederholt und sich dazu noch eigene Geräusche überlegt. Man muss „Alice“ nicht zeigen, sondern allein durch die Textpassagen sehen die Leute die verschiedenen Figuren wie Alice, den Hutmacher oder den Märzhasen vor ihrem inneren Auge.

Im Probenraum in Dechsendorf – v. l. David Becker, Linda Petersen, Robert Godea, Thomas Wendel (Foto: Anna Appel)

Was war für Euch eine besondere Herausforderung bei der Produktion des Live-Hörspiels?

Nadine: Die Art und Weise, an den Text heranzugehen, war eine andere. Ich habe den Schauspielern von Anfang an gesagt, dass der Text nicht auswendig gelernt werden muss. Denn sobald ich Teile des Textes auswendig kann, ist es schwieriger, sie zu lesen – jedenfalls bei manchen Passagen. Wir haben den Erzähler, der wirklich liest. Und wir haben die Charaktere, die miteinander sprechen. Die Herausforderung für die Schauspieler ist, dass sie teilweise sehr viele verschiedene Personen interpretieren und dabei immer anders klingen müssen. Dadurch, dass man sein Äußeres nicht sehr verändern kann, muss die Stimme die komplette Veränderung gestalten.
Daneben haben wir eine ganz andere Form von Einsätzen: Wann kommt welches Geräusch? Wir machen zudem alles mit Mikros, damit wir mit Hall arbeiten können, damit auch geflüstert werden kann und damit letztendlich der ganze Klang von den Boxen herkommt und nicht nur von Vorne wie bei gewöhnlichen Inszenierungen. Man soll das Gefühl haben, man könne die Augen schließen und einfach dem Hörspiel lauschen. Die Schwierigkeit war auch, anders zu denken. Wir wollen anders in die Köpfe der Zuschauer gelangen, weil wir Atmosphären durch eine akustische Ebene schaffen wollen statt durch eine visuelle.
Und die Technik war natürlich eine große Herausforderung. Wir mussten sie extra bestellen und haben nur drei Proben, bei denen wir mit dem ganzen Equipment arbeiten können. Wir wollen außerdem Hintergrundatmosphären schaffen, nehmen also Geräusche auf wie Blätterrascheln, Bachplätschern und so weiter, die dann im Hintergrund einer Szene geloopt werden. Da muss man ein gutes Timing hineinbringen. Und wir alle haben so etwas noch nie zuvor gemacht. Es kann sehr viel schiefgehen, andererseits ist das nicht so schlimm, da wir das Ganze während der Aufführungen ja nicht aufnehmen. Wir haben uns schon im Vorhinein Lösungen für mögliche Probleme ausgedacht. Eine weitere Herausforderung ist der Einsatz von Requisiten. Es geht bei uns mehr um das Organisieren von Platz statt um das Herumlaufen und Agieren auf der Bühne.

Warum habt Ihr euch für den Aufführungsort Mensa entschieden, Nadine?

Nadine: Natürlich haben wir bei der Studiobühne keine große Auswahl an Aufführungsorten und müssen uns immer wieder mit verschiedenen Räumen arrangieren. Für unsere Aufführungen von „Alice“ in der Mensa haben wir aber bewusst einen Nebenraum gewählt und nicht den Raum mit der Bühne, den es dort durchaus gibt. Wir wollen keine große Rampe zwischen Schauspielern und Zuschauern errichten, sondern eine kollegiale Atmosphäre schaffen und die Zuschauer nah an das Geschehen heranholen.

Was hat Dir bei der Produktion von „Alice im Wunderland“ am meisten gefallen und wo gab es Probleme?

Nadine: Ich bin normalerweise ein sehr visueller Mensch und stelle mir alles in Bildern vor. Interessant fand ich, wie reichhaltig die Bilder dann während der Proben waren. Ich hatte zuerst eine Vorstellung im Kopf, dann haben wir mit Geräuschen und Stimmen geprobt. Es hat mich überrascht, dass ich während der Proben nicht an meinem ursprünglichen Bild festgehalten habe, sondern alternative Vorstellungen in meinem Kopf entstanden sind. Die Schwierigkeit ist natürlich, alles unter einen Hut zu kriegen: Geräusche, Töne, Timing usw. Wie wirkt es, wenn so ein Geräusch kommt? Manchmal kann man reale Geräusche gar nicht mit den entsprechenden Situationen assoziieren, weil in Film und Fernsehen immer andere Geräusche dafür verwendet werden. Nimmt man dann mit Absicht die verfälschten Geräusche, die für gewöhnlich bei der Nachvertonung genutzt werden, weil die Leute sie kennen, oder entscheidet man sich für die realistischen Geräusche? Das ist sehr interessant.

Eine letzte Frage: Wann siehst Du deine Produktion „Alice im Wunderland“ als erfolgreich an?

Nadine: Meine schlimmste Befürchtung wäre, dass während der Aufführung keiner lacht, was ich mir allerdings wirklich nicht vorstellen kann. Wir müssen uns während der Proben selbst sehr beherrschen, nicht laut loszulachen, weil die Textpassagen oft irre witzig sind. Gelungen wären unsere Aufführungen für mich, wenn sie für mehrere Sorten von Menschen ansprechend sind. So habe ich die Inszenierung ja auch beworben: für Groß und Klein. Niemand soll sich langweilen. Dann bin ich zufrieden.

Vielen Dank für das Interview, Nadine!

Das Live-Hörspiel „Alice im Wunderland“ wird am 11., 12. und 13. Januar 2017 jeweils um 19:30 Uhr (Einlass 19:00 Uhr) im Saal der Mensa am Langemarckplatz in Erlangen aufgeführt. Der Eintritt kostet im Normalpreis 8€ und ermäßigt 5€.

Und nun: Viel Spaß beim Besuch der Aufführungen!

Anna Appel