Was für einen Stellenwert hat Liebe an einem Ort, an dem Liebe käuflich ist
Die drei Vorstellungen sind ausverkauft. Für die, die nicht reservieren konnten, wurden noch ein paar weitere Plätze geschaffen, für die es an der Abendkasse Karten geben wird. Elena Weiß (Regie) von der Studiobühne verrät mir in einem Interview, was ihre Inszenierung von „A story about love“ — nach den Grundzügen von „Moulin Rouge“- so besonders macht, dass bereits zwei Wochen vor der Premiere alle Karten weg sind. Die Premiere findet am 12.5. im Frankenhof 19.00 Uhr statt. Weitere Vorstellungen sind jeweils am 14. und 15.5. am gleichen Ort, zur gleichen Zeit.
Re>flex: Du wirst ja bei der Studiobühne gern als Dramaturgin eingesetzt. Ist das deine erste Regiearbeit?
Weiß: Nee, es ist jetzt insgesamt meine dritte Projektleitung und meine zweite Regiearbeit. Ich habe in der letzten Spielzeit „Klamms Krieg“ inszeniert, das war das Monologstück mit Chris Meier in der Hauptrolle. Das war eine sehr kleine Produktion mit nur 20 Plätzen pro Vorstellung, dafür aber ein sehr intensives Arbeiten während der Proben. Dann wollten wir in der letzten Spielzeit „Ein Horrorladen“ inszenieren, was dann in letzter Minute nicht geklappt hat, weil der Verlag uns Steine in den Weg geworfen hat. Die „Bloody Show of Horrors“ war auch von mir, die in einer spontanen Aktion innerhalb von drei Wochen entstanden ist und einfach unglaublich cool war.
Re>flex: Ja, davon hab ich gehört. Die soll euer Publikum umgehauen haben.
Weiß: Wir haben einfach nur auf der Bühne das gemacht, was uns Spaß gemacht hat und das Publikum hat das gemerkt und fand’s super.
Dramaturgie? Regie? Was ist da der Unterschied?
Re>flex: Was empfindest du als den großen Unterschied zwischen den Aufgaben eines Regisseur und denen eines Dramaturgen?
Weiß: Der Regisseur hat die Verantwortung für das ganze Stück. Mal davon ganz abgesehen, dass es eine ganz andere Arbeit ist, bin ich jetzt für dieses Stück verantwortlich. Das ist mein Stück, auch wenn ich ganz viele tolle Leute dabei hab, die mir helfen. Ich muss die Entscheidungen treffen, ich muss die Ansagen machen. Als Dramaturg hast du in dem Sinne, was die Produktion angelangt, eine etwas entspanntere Position, weil du zwar in den künstlerischen Prozess involviert bist, du den Regisseur aber nur berätst und der Regisseur trifft letztendlich die Entscheidung. Das ist eine ganz andere Verantwortungssituation. Und zum anderen ist das Arbeiten halt auch ein Anderes. Durch dieses Beratende oder selbst Machende. Als Dramaturg hab ich wesentlich textbezogener gearbeitet. Als Regisseur arbeite ich — gerade im Musical, was ja ein Monsterprojekt ist — hauptsächlich mit Bildern. Also ich weiß, wie’s von der Konzeption her aussehen soll und die dramaturgische Arbeit, die mit dem Text, gerät gerade jetzt ein wenig ins Hintertreffen.
Re>flex: Hast du für diese Produktion einen Dramaturgen?
Weiß: Ich hab leider keinen Dramaturgen. Ich hab eine Regieassistentin, die Kathi, die macht das auch ganz wundervoll, hält mir gut den Rücken frei. Wir haben mich als Regisseurin, einen musikalischen Leiter, eine Choreografin, einen technischen Leiter, eine musikalische Assistenz, Leute für Kostüme und Bühnenbild, Technik. Das heißt, es sind einfach schon so viele Leute involviert, dass sich auch niemand mehr für den Dramaturgenjob gefunden hat, der nicht entweder selbst mitspielt oder anderweitig schon dabei ist.
„The greatest thing, you’ll ever learn…“
Re>flex: Zumal, wenn so viele zusammen kommen, sind ja auch genügend da, um unterschiedliche Perspektiven für das zu entwickeln, was da auf der Bühne geschieht. Da komm ich gleich dazu. Was ist das Besondere an eurer Produktion, „A story about love“, was erwartet uns?
Weiß: Eine Geschichte über zwei Menschen, die an einem Ort Liebe finden, an dem es nur käufliche Liebe gibt. Es spielt ja im Moulin Rouge, um 1900 in Paris. Gabriel, meine Hauptperson, kommt nach Paris, um Schriftsteller zu werden, und rutscht dann eigentlich mehr oder weniger in dieses künstlerische, bohèmianische Milieu mit hinein, und lernt so Cattrice kennen. Die beiden verlieben sich relativ schnell, relativ intensiv ineinander. Ja, leider ist das Ganze — wie immer im Theater — nicht so einfach, wie man’s gern hätte: Es gibt den Duke, der als Geldgeber ins Spiel kommt und dem gegenüber Cattrice verpflichtet wird. Das heißt, es stellt sich einerseits die Frage, ob die beiden es für sich schaffen, diese Liebe zu erhalten. Gleichzeitig gefährdet diese Liebe der beiden auch das ganze Moulin Rouge, weil der Duke ein sehr mächtiger Mensch ist. Ich denke, es geht schon ein bisschen darum, was die Liebe wert ist, wie viel Liebe bedeutet im Vergleich zu anderen Sachen, welchen Stellenwert Liebe im Leben von Menschen hat. Und da würde dir sicherlich jede Figur eine ganz andere Antwort geben können.
„Fever!“
Re>flex: An was orientiert ihr euch? Gab es eine Buchvorlage oder orientiert ihr euch tatsächlich am Film?
Weiß: Wir orientieren uns leicht an dem Film. Vor allem auch darin, was unsere Musikauswahl betrifft. Wobei ich als Grundlage genommen habe, was im Film verarbeitet wird und bei einigen Tracks Teile gestrichen habe, dafür einige andere, die im Film nur ganz kurz vorkommen, als ganze Nummern aufgenommen habe. Dazu kommt noch ein Track neu dazu: „Fever“ von Pinky Sue. Wir haben das genommen und damit gearbeitet. Man könnte es noch „frei nach“ nennen, aber eigentlich machen wir was ganz Anderes.
Re>flex: Ah ok, meine nächste Frage wäre nämlich gewesen: Der Film ist ja sehr pompös gestaltet, hat sehr dichte, überladene Bilder. Wie geht man damit im Theater um?
Weiß: Es ist generell schwierig gewesen, diesen Film spielbar zu machen, weil er zum einen mit sehr vielen, sehr schnellen Schnitten arbeitet, dann mit diesen wahnsinnig pompösen Bildern sowie auch mit pompös arrangierter Musik. Der hat das ganze Streichorchester. Das klingt also sehr bombastisch. Das können wir natürlich nicht so übernehmen, das geht vom Platz nicht, von den Leuten, vom Geld her nicht. Und das war eigentlich auch die Hauptarbeit: diesen Film so umzuschreiben, dass man ihn überhaupt auf die Bühne bringen kann. Noch dazu hat der Film eine Erzählerstimme. Das wirkt im Film schon ein wenig hölzern, auf der Bühne geht das für mich gar nicht. Ich finde wir haben eine Version gefunden, die sich sehen lassen kann.
Was mich am Film gestört hat, dass es eigentlich immer nur um diese zwei Personen geht und der Rest total absinkt. Es gibt vier Hauptrollen und singende Dekoration. Bei uns ist es nicht ganz so. ich habe versucht, alle diese Tänzerinnen, die auch im Moulin Rouge sind, jeder eine eigene Geschichte und ein eigenes Gesicht zu geben. Was man natürlich in einem Stück, das ja auch eine zeitliche Begrenzung hat, nicht alles ausspielen kann, aber was szenenweise doch recht gut raus kommt, dass man merkt, dass das ganz unterschiedliche Frauen sind und nicht nur singende Deko.