Blaubart — Hoffnung der Frauen?
Seit Blaubart zum ersten Mal in Charles Perraults Märchen aufgetaucht ist, ist er immer wieder aufgetaucht. Bei den Gebrüdern Grimm, in der Oper oder bei Döblin. Nie ist er derselbe, wenn er wieder auftaucht, mal ist er seinem Ursprung sehr ähnlich, mal hat er sich weit von ihm entfernt. Die Studiobühne Erlangen bringt nun am kommenden Wochenende Dea Lohers Blaubart auf die Bühne, der den Untertitel Hoffnung der Frauen trägt. Wer aber ist dieser Blaubart hier und inwiefern erfüllt er Frauenwünsche? Eine tatsächliche Aussage darüber treffen können nur diejenigen, die ihm auch begegnet sind. Und deswegen haben wir die Figuren aus dem Stück selbst gefragt. Eine spielte dabei eine ganz besondere Rolle…
Wer ist Heinrich Blaubart?
Julia: Heinrich ist meine zweite Hälfte, ohne die ich nicht mehr leben kann und will. Er ist der erste Mann, in den ich nicht nur verliebt bin, sondern den ich liebe und von dem ich mich geliebt fühle.
Anna: Heinrich Blaubart ist mein bester Freund.
Tanja: Er hat mir erzählt, dass er Schuhverkäufer ist. Er ist schon ein seltsamer Kerl. Einer von der eher weichen, sensiblen Sorte. Aber dick is er. N bisschen faul. So einer von der Sorte, die sich gern durch andere treiben lassen, die nich so den Schneid haben die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Einer, der noch grün is hinter den Ohrn, den man n bisschen an die Hand nehmen muss. Eigentlich hat er mir ja nie senen Namen jesagt und eigentlich gleich immer angefangen von senen Verflossenen zu reden.
Warum magst du Heinrich Blaubart?
Eva: Mögen? Als käme es darauf an. „Du bist nett. Ich mag dich.“ Romantische Scheiße. Ob einer ein Stück der gleichen Nacht in sich trägt, die du durch jede Pore atmest — und die gleiche Panik davor — das zählt.
Julia: Wenn ich mit Heinrich zusammen bin, ist es immer wie bei unsrer ersten Begegnung: wie ein warmer Frühlingstag – nur mit dem Unterschied, dass ich die Dinge, die ich daran so mag, jetzt mit ihm gemeinsam sehen und machen kann.
Tanja: Wahrscheinlich weil er sich mir mit seiner sensiblen Art geöffnet hat. Wenn da einer kommt der seine Schwächen so offen vor sich hin trägt und vor einen ausschüttet, da kann man sich selbst öffnen. Und er hat MICH ausgesucht. Wohl weil er dachte ich wäre eine die im nicht zur Gefahr werden könnte. Ausgerechnet ne Professionelle. Er ist so einer von denen, der nett ist und der dennoch mit all seiner vielleicht abweisenden Schüchternheit einen um n Finger wickelt. Seine Schwäche hat mich angezogen und dann angekotzt.
Welche Wünsche kann Blaubart dir erfüllen?
Anna: Seit meinem sechsten Lebensjahr wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen Freund, mit dem ich mein Wesen, meine Gefühle und meine Gedanken teilen kann. Mit Heinrich habe ich endlich einen solchen Freund gefunden.
Eva: Vielleicht könnten wir ihn einander erfüllen. Diesen letzten, endgültigen Wunsch. Den Wunsch nach einem, der sich traut, deinem Blick Stand zu halten. Kein feiger Hund, der sich winselnd und mit eingekniffenem Schwanz verdrückt. Ein echter Gegner. Einer, der das Spiel zu Ende spielt. Schachmatt.
Was heißt es, jemanden wahrzunehmen?
Die Blinde: Ein Mensch tritt in das eigene Leben ein und indem man ihn wahrnimmt, wird man sich der Tatsache seiner Anwesenheit bewusst, vielleicht auch schon der Rolle im eigenen Leben. Manchmal ist es ein ruhiges Näherkommen, diese erste Kontaktaufnahme, während man andermal von Forschheit vor den Kopf gestoßen wird und sich abwendet.
Kann man jemanden unabhängig von sich selbst sehen? Ich dachte einmal, es sei möglich, einen Menschen zu treffen und ihn plötzlich, in einem Moment, ganz so zu sehen wie er ist. Alles Gute und Schlechte zu erkennen und diesen Menschen so anzunehmen, unbeeinflusst von eigenen Vorstellungen oder Wünschen. Wie ich lernen musste, habe ich mich getäuscht.
Sollte man das wahre Innere jeder Person sehen? Man wird oft ja doch nur enttäuscht von allem unvermutet Hässlichen, was im tiefsten Kern eines Menschen mühsam versteckt ist. Ich bin froh, wenn mir das erspart bleibt und ich einfach weiter an denen vorbeigehen kann, die mir sowieso nicht wichtig sind und die mich auch nicht so sehen wie ich bin. Aber den einen Menschen sollte man doch komplett kennen, bis ins Innerste – und er mich auch. Und ganzheitlich lieben aus diesem tiefsten Inneren heraus, ohne Zurückweisung und Einsamkeit. Was für ein schönes Märchen…
Blaubart — Hoffnung der Frauen wird am 12., 13. und 14. Juni jeweils um 20 Uhr im Saal des Pacelli Hauses aufgeführt.
Vera Podskalsky
http://www.reflexmagazin.de/2015/06/08/blaubart-hoffnung-der-frauen/
Blaubart – Hoffnung der Frauen
ein Stück von Dea Loher
Leitung: Mona Neugebauer, Lydia Victor
Musik: Charles-Felix O’Neill
Am 12., 13. und 14. Juni um je 20 Uhr im Saal des Pacelli Hauses
Eintritt 6€, ermäßigt 4€ – zur Kartenreservierung
Heinrich und die Blinde auf einer Parkbank.
Heinrich ist ein Schuhverkäufer und Mörder. Dabei hätte die erste Liebe so einfach sein können. Seine Julia nimmt Gift, um ihre „Liebe über die Maßen“ zu demonstrieren. Wenn er jetzt Romeo hieße und sie küssen würde, stürben sie beide zusammen. Aber er heißt Blaubart, Heinrich Blaubart, und er hat 6 Frauen auf dem Gewissen. 6 Frauen, die in ihm ihre „Liebe über die Maßen“ suchten.
Und er sieht ausgerechnet etwas in der, die ihn nicht sehen kann. Aber wahrnimmt. Vielleicht geht es diesmal anders aus. Vielleicht.
Wind. Vielleicht. Blätter. Vielleicht. Er schläft ein.
Mit Julia Engerer, Laura Eyselein, Sylvia Krüger, Constanze Lörner, Lena Möslein, Matthias Nadler, Nadine Raddatz, Kristin Vogel
Technik: Christian Kliemann, Maximilian Nix
https://youtu.be/tQA-Tamf2ZA