Mesdames et Messieurs, bienvenue!

Es ist 1943 und wir befin­den uns in Frank­reich, wel­ches von den Nazis besetzt ist. Genauer gesagt im Pari­ser Untergrund. So kann es nicht wei­ter­ge­hen. Es muss etwas getan wer­den!! So der Gedanke einer klei­nen bunt zusam­men­ge­wür­fel­ten Gruppe von fünf Résis­tan­ce­lern, die beschlos­sen haben Gene­ral­oberst Wal­ter Hölt­zer zu töten, um ein Zei­chen zu set­zen. Beglei­ten wir sie doch bei ihrem Vor­ha­ben. Wer­den sie erfolg­reich sein oder scheitern?

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Als das Stück beginnt, befin­den wir uns in der Métro mit­ten in einer Schlüs­sel­szene, wel­che abrupt ein­friert. Drei der Akteure, La (Linda Peter­sen), Le (Robert Godea) und Fran­cine (San­dra Kno­cke), lösen sich aus dem Gesche­hen her­aus. Wie sich nach kur­zer Zeit zeigt, ist Fran­cine ein Mit­glied: oder bes­ser gesagt, war ein Mit­glied der oben genann­ten Résis­tance Gruppe. Ver­gan­gen­heits­form des­halb, weil das Vor­ha­ben der Szene nach offen­sicht­lich geschei­tert ist und der Ver­lauf des Stücks nun zeigt, wie alles begon­nen hat.

Die ursprüng­li­che Gruppe besteht aus fünf Per­so­nen: Jean (Andreas Pom­mer), Laura (Anna Bein­vo­gel), Cle­ment (Michael Hör­ner), Paul (Fatih Bek­tas) und Fran­cine (San­dra Kno­cke). Zusam­men wol­len sie, wie bereits erwähnt, den Gene­ral­oberst Wal­ter Hölt­zer töten. Gesche­hen soll dies im Café Interdit, in der Öffent­lich­keit, um ihre Ent­schlos­sen­heit etwas ändern zu wol­len, und es auch zu kön­nen, zu demonstrieren.

Für die­ses Vor­ha­ben müs­sen natür­lich Waf­fen her und so lässt sich die Gruppe mit einem zwie­lich­ti­gen Schmugg­ler (Den­nis Dre­her) ein, der sowohl Besat­zer als auch Besetzte mit Waf­fen und der­glei­chen ver­sorgt, solange eben der Preis stimmt.

Diese Aktion ruft wie­derum die graue Emi­nenz des Unter­grunds, Madame Oreille (Anne Hoff­mann), auf den Plan. Sie und ihr alt­ge­dien­ter Kämp­fer (Mat­thias Zol­litsch) sind von der Idee der Fünf über­haupt nicht ange­tan und Madame Oreille gibt ihnen unmiss­ver­ständ­lich zu ver­ste­hen, dass sie ihren Plan unter gar kei­nen Umstän­den in die Tat umsetz­ten dür­fen, denn sonst wür­den sie den gesam­ten Wider­stand gefähr­den. Und ganz neben­bei auch noch ihre eigene Macht­po­si­tion. Wäh­rend­des­sen arbei­tet sie wei­ter an einem Strick­stück und hält damit im wahrs­ten Sinne des Wor­tes die Fäden in der Hand.

Stur und idea­lis­tisch, wie die Bande ist, will sie ihren Plan den­noch durch­zie­hen. Aller­dings müs­sen sie an besag­tem Sonn­tag, dank der Bom­bar­die­rung durch die Bri­ten, die Métro neh­men, um an ihren Ziel­ort zu gelangen.

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Soweit so gut. Zu ent­glei­sen beginnt die Mis­sion aller­dings, als uner­war­tet — sonst blei­ben die Deut­schen lie­ber in ihren eige­nen Klas­sen­ab­tei­len unter sich — ein deut­scher Sol­dat (Max Kloppe) in das Abteil ein­steigt und die Fünf den Ver­dacht haben, dass sie ver­ra­ten wor­den sind. Doch wer war es? Wer von den ande­ren Abteil­in­sas­sen weiß etwas? Viel­leicht die Schüch­terne (Julia Enge­rer), die mit dem Gesicht zur Wand steht, die zwei rat­schen­den Freun­din­nen (Ann-Cathrin Buchelt und Elisa Sichel­stiel), der Zei­tungs­le­ser (Ralf Alt­mann) viel­leicht, schließ­lich scheint er ja seit Stun­den nicht umge­blät­tert zu haben, oder etwa das junge Fräu­lein Krahl (Lena Mös­lein), wel­ches so unschul­dig nach einer Ziga­rette fragt? Mög­li­cher­weise ja auch das junge rus­si­sche Mäd­chen (Karina Hille)? Und, um das Ganze noch heik­ler und die Mit­glie­der noch para­no­ider zu machen, steigt auch noch Haupt­sturm­füh­rer Sei­ler (Julian Goso­litsch) mit einem mas­kier­ten Sol­da­ten ein, um eine Kon­trolle durch­zu­füh­ren, vor allem Laura trifft es. Als bei dem Zei­tungs­le­ser zufäl­lig eine bri­ti­sche Post­karte ent­deckt wird, lässt Sei­ler aller­dings umge­hend von ihr ab, um den Feind von sei­nem Sol­dat abfüh­ren zu lassen.

Danach eska­liert das Ganze voll­ends, denn Jean explo­diert und zielt auf den deut­schen Sol­da­ten, den er für den Haupt­ver­däch­ti­gen hält. Nach einem laut­star­ken Wort­ge­fecht ist es aller­dings Laura, die ihn erschießt. Das damit die Mis­sion end­gül­tig geschei­tert ist, dürfte jetzt wohl jedem Zuschauer klar gewe­sen sein.

Fazit

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David Beckers Stück lässt den Zuschauer mit vie­len ver­schie­de­nen Ein­drü­cken zurück. Einer der stärks­ten dürfte aller­dings die Ver­wir­rung sein, oder bes­ser gesagt: die Neu­gier. Denn, wer letzt­end­lich der Ver­rä­ter war und ob es über­haupt einen in der Gruppe gege­ben hat, bleibt unbe­ant­wor­tet. Und auch, wenn es eine zen­trale Frage des Stücks ist und für die ent­spre­chende Dyna­mik sorgt, so ist die Ant­wort dar­auf nicht von abso­lu­ter Bedeutung!

Was das Stück wirk­lich unter­halt­sam macht, ist, neben den talen­tier­ten Schau­spie­lern, die Art, wie das Stück erzählt / dar­ge­stellt wird. Denn zum Schluss sind wir wie­der am Aus­gangs­punkt mit Fran­cine, La und Le. Diese Drei Cha­rak­tere füh­ren das Publi­kum durch das Stück; hal­ten die Hand­lung je nach Belie­ben an oder spu­len sie vor. Fran­cine spielt dabei eine geson­derte Rolle, denn sie hat das Fiasko über­lebt.
La und Le kön­nen auf ver­schie­dene Wei­sen inter­pre­tiert wer­den, denn so sehr die Art, wie sie Fran­cine mit Fra­gen in die Man­gel neh­men an ein Ver­hör erin­nert, so könnte es ebenso gut Fran­ci­nes Gewis­sen sein, wel­ches sie das Ganze noch ein­mal Revue pas­sie­ren lässt um her­aus­zu­fin­den, ob sie die Kata­stro­phe hätte ver­hin­dern kön­nen. Und damit ist auch offen, ob sie zum Schluss hin­ge­rich­tet wird oder sich selbst tötet.

Eben­falls zum Nach­den­ken regen Lau­ras Beweg­gründe und Über­zeu­gun­gen an. Um ihr Ziel der Ent­mach­tung der Nazis zu errei­chen, geht sie über Lei­chen und macht dabei kei­nen Unter­schied mehr zwi­schen den Nazis selbst und den eige­nen Lands­leu­ten, die sich nur ange­passt haben, um zu über­le­ben. Jeder der Zuschauer kann sich also selbst fra­gen, wie er selbst in die­ser Situa­tion gehan­delt hätte.

Doch bei aller Ernst­haf­tig­keit bleibt auch der Humor nicht auf der Stre­cke! So sor­gen Cle­ments iro­ni­sche und sar­kas­ti­sche Bemer­kun­gen immer wie­der für Geläch­ter und dank der Ein­marsch­mu­sik für Haupt­sturm­füh­rer Sei­ler (March from A Clock­work Orange (Ninth Sym­phony, Fourth Move­ment, Abridged) Beet­ho­ven, arr. ba Wendy Car­los Fried­rich Schil­ler (lyric)) und der durch­ge­knall­ten Spiel­art Julian Goso­litsch‘ kann man sogar über einen Nazi lachen, auch wenn man sich im ers­ten Moment inner­lich fragt, ob man das eigent­lich darf. Ant­wort: Man darf!

Zusam­men­ge­fasst lässt sich also sagen: Mis­sion geschei­tert, aber Abend gerettet!

Car­men Käuflin

http://www.reflexmagazin.de/2016/05/18/mesdames-et-messieurs-bienvenue/