In die Welt der Amazonen

Penthe_PenthesileaTimo Sestu insze­niert in der Studiobühne Erlangen Kleists „Pen­the­s­i­lea“. Die Pre­miere wird am 19. März, 20 Uhr im Frankenhof-Saal statt­fin­den. In unse­rem Inter­view spricht Sestu natür­lich über seine Insze­nie­rung, aber auch über den wei­te­ren Ver­lauf der Spiel­zeit, über die Stü­cke, die uns noch erwar­ten und über das geplante mehr­tä­gige Thea­ter­fest anläss­lich des 240. Geburts­ta­ges stu­den­ti­schen Thea­ters in Erlan­gen, für das alle Stu­den­ten auf­ge­ru­fen sind, sich  mit eige­nen Pro­jek­ten bei dem Aus­schrei­ben zu bewer­ben. Wei­tere Infos dazu und ein Video der „Penthesilea“-Inszenierung gibt es hier:

Pen­the­s­i­lea:

re>flex: „Pen­the­s­i­lea“ von Kleist wird auf der Bühne sel­ten auf­ge­führt. Hast du eine Ahnung, warum das so ist?

Sestu: Ich denke, das liegt vor allem an der Spra­che des Stücks, das eher als Lese­drama kon­zi­piert ist. Die Spra­che ist hoch arti­fi­zi­ell, und es fällt sogar beim Lesen schon schwer, zu ver­ste­hen, worum es über­haupt gerade geht. Und ich glaube, wenn man das dann gespro­chen auf der Bühne hört, ist es noch­mal schwie­ri­ger. Außer­dem gibt es so viele Teicho­sko­pien und Boten­be­richte, sodass auf der Bühne selbst rela­tiv wenig pas­siert, obwohl im Stück, in der Spra­che, eigent­lich sehr viel Action und Drama trans­por­tiert wird.

re>flex: Wie seid ihr in eurer Insze­nie­rung mit die­ser kom­pli­zier­ten Spra­che umgegangen?

Sestu: Wir haben die Spra­che erst mal über Bord gewor­fen und uns von Grund auf über­legt: Was wol­len wir eigent­lich erzäh­len? Dann haben wir nicht nur die Hand­lung in unsere heu­tige Zeit über­tra­gen, son­dern auch die Spra­che, haben aber vier Vor­le­ser ein­ge­setzt, die die Stim­mung des Kleist­schen Tex­tes wei­ter trans­por­tie­ren. Aber auch auf der Bühne schim­mern in unse­rem Text immer wie­der mytho­lo­gi­sche Aspekte durch. Die Ama­zo­nen sind zwar in unse­rer Welt ange­sie­delt, aber sie haben noch einen leicht über­na­tür­li­chen Touch.

re>flex: Inwie­fern sind die Ama­zo­nen in unse­rer Welt angesiedelt?

Sestu: Das sind nor­male Mäd­chen, die auf die schiefe Bahn gera­ten sind.

re>flex: Und wer sind die Krie­ger des tro­ja­ni­schen Krie­ges, in unse­rem Fall?

Sestu: Die Insze­nie­rung spielt in einer, viel­leicht deut­schen, Groß­stadt – so könnte man sich das vor­stel­len — und Achil­les und Odys­seus sind natür­lich brave Bür­ger (es sind sogar Poli­zis­ten). Da pral­len also zwei ver­schie­dene Wel­ten auf­ein­an­der: Die Unter­welt der Ama­zo­nen und die „Ober­welt“, die nor­male, bür­ger­li­che Welt. Und da gibt es ver­ständ­li­cher Weise sofort Konflikte.

re>flex: Die dann wie gelöst werden?

Sestu: Das wird man sehen. (lächelt und rührt in sei­nem Tee)

re>flex: Fazit: Was wird uns als Zuschauer erwarten?

Sestu: Es ist ein sehr kom­pak­tes Stück mit — hoffe ich — kla­ren Sym­bo­len, und einer gro­ßen Geschichte, vie­len Emo­tio­nen, und einer magi­schen Atmosphäre.

Die wei­ter­hin geplante Spiel­zeit 2012/13:

re>flex: Du hast mir gesagt, dass wir auch über andere Sachen spre­chen, unter ande­rem über die neue Spielzeit?

Sestu: Ja, das nächste Stück nach „Pen­the­s­i­lea“ heißt S.H.O.W., das ist eine Abkür­zung für „Sexy, heiß, ohne Würde“. Das Ganze ist eine szenisch-interaktive Instal­la­tion. Damit wer­den Model-Castingshows, beson­ders “Germany’s Next Top­mo­del” par­odiert. Es wird Kan­di­da­tin­nen geben, die von Sta­tion zu Sta­tion wan­dern und an jeder davon gibt es Auf­ga­ben: Da gibt es ein­mal den Cat­walk, es gibt eine Challenge-Aktion, an der man irgend­wel­che däm­li­chen Auf­ga­ben machen muss usw. Das Tolle daran ist, dass der Zuschauer sel­ber Teil die­ser Per­for­mance wird, indem er auch selbst Auf­ga­ben zuge­teilt bekommt und auch selbst Ein­fluss auf die Ent­schei­dun­gen neh­men kann. Gleich­zei­tig ist das Ganze auch eine total wit­zige Impro­sa­che, weil die „Mädels“ im Groß­teil bis­her gar nicht wis­sen, wel­che Auf­ga­ben da auf sie zukom­men. Das wird an den Sta­tio­nen dann will­kür­lich entschieden.

re>flex: Die wei­te­ren Stü­cke sind dann?

Sestu: Dar­auf gibt’s erst mal ein Musi­cal: „A story about love“, basie­rend auf dem Musi­cal „Mou­lin Rouge“. Vor einem Jahr ist der Plan, den „klei­nen Hor­ror­la­den“ auf die Bühne zu brin­gen, letzt­lich geschei­tert. Man konnte statt­des­sen eine tolle Revue sehen. Aber jetzt wird es end­lich ein Musi­cal geben.

re>flex: Habt ihr dann also gute Sän­ger an der Stu­dio­bühne, wenn ihr euch ein Musi­cal vornehmt?

Sestu: Wir haben sehr gute Sän­ger. An man­chen sind sogar echte Musi­cal­stars ver­lo­ren gegangen.

re>flex: Ich habe gese­hen, das Ensem­ble bekommt Hilfe von einer Tanzschule?

Sestu: Ja, wir haben Unter­stüt­zung von der „TTC Show­tanz­gruppe Erlan­gen“. Bei jedem Musi­cal ist die Cho­reo­gra­phie enorm wich­tig. Das gilt umso mehr, wenn der Ort der Hand­lung selbst einer ist, an dem getanzt wird.

re>flex: Wie geht’s dann wei­ter im Spielplan?

Sestu: Im Juni wird „Die Katze auf dem hei­ßen Blech­dach“ auf­ge­führt, von Ten­nes­see Wil­liams. Das wird auch ganz toll, denn prin­zi­pi­ell han­delt sich um ein Kam­mer­spiel im bes­ten Sinne. So etwas gibt es an der Stu­dio­bühne nicht oft zu sehen. Da begin­nen bald die Proben.

re>flex: Und das Katharsis.Doublefeature – was ist das?

Sestu: Das ist der Titel für das viel­leicht gewag­teste Pro­jekt der Spiel­zeit. Zwei Stü­cke von Sarah Kane an einem Abend – „4:48 Psy­chose“ und dann „gesäu­bert“. Klingt erst ein­mal aus­ufernd, aber die drei Regis­seure, die das Pro­jekt lei­ten, mögen’s kna­ckig. Die Her­aus­for­de­rung ist, dass Sarah Kane wirk­lich krass ist, da würde sich wohl nicht mal jedes pro­fes­sio­nelle Thea­ter ran­trauen. Fast hätte sie es ja auch in den Klub 27 geschafft, sie hat nur ein Jahr zu lange gelebt. Das Tolle ist, dass die Stu­dio­bühne mit die­sem Dou­ble­fea­ture zum ers­ten Mal auch in Nürn­berg auf­führt und zwar in Koope­ra­tion mit dem „Thea­ter Zwo Sie­ben“, zwei Mal im Hubertus-Saal. Anschlie­ßend gibt es noch­mal zwei Auf­füh­run­gen im E-Werk, für unser Erlan­ger Publikum.

Das Thea­ter­fest:

re>flex: Es soll im Som­mer ein Thea­ter­fest geben, habe ich gehört?

Sestu: Ja, genau. Jetzt könnte man sich natür­lich fra­gen, warum ein Thea­ter­fest? Anlass ist, dass sich die­ses Jahr, bestimm­ten Quel­len zufolge, stu­den­ti­sches Thea­ter in Erlan­gen zum 240. Mal jährt. „240 Jahre stu­den­ti­sches Thea­ter in Erlan­gen“ — das wol­len wir natür­lich auch irgend­wie fei­ern. Wenn wir uns aber nur selbst fei­ern woll­ten, dann müsste es eher „Vier Jahre neu gegrün­dete Stu­dio­bühne“ heißen.

Statt­des­sen laden wir aber alle Stu­den­ten, die auch Thea­ter machen, ein, mit uns die­ses Jubi­läum mit einem mehr­tä­gi­gen Fes­ti­val zu fei­ern. Des­halb wol­len wir uns auch etwa an die AMV wen­den und an alle Stu­den­ten, die Lust haben, ein Theater-Projekt auf die Beine zu stel­len. Dazu wer­den wir bald einen Wett­be­werb aus­schrei­ben, bei dem man sich mit einer thea­tra­len Idee bewer­ben kann.

Das muss nicht immer ein fer­ti­ges Stück sein: Thea­ter ist sehr viel­fäl­tig. Und gerade das wol­len wir zei­gen, dass stu­den­ti­sches Thea­ter viele ver­schie­dene Facet­ten hat und dass es nicht immer eine klas­si­sche Auf­füh­rung geben muss, mit Anfang und Ende, es wird geklatscht, man ver­beugt sich und dann gegen alle. Das muss ja nicht immer so sein. Und gerade diese Facet­ten wol­len wir mög­lichst alle aus­lo­ten, um zu zei­gen, was stu­den­ti­sches Thea­ter zu leis­ten imstande ist.

Pen­the­s­i­lea wird am 19./21. und 22. März, jeweils 20 Uhr im Frankenhof-Saal auf­ge­führt. Ein­tritt: 5/3 Euro ermäßigt.

Frü­here von re>flex bespro­chene Insze­nie­run­gen der stu­dio­bühne Erlan­gen waren: „Nach dem Früh­lings­er­wa­chen“ (Pom­mer), „Mut­ter Cou­rage“, „Faust“, „Der Letzte der Timelords“.

Paula Linke
http://www.reflexmagazin.de/2013/03/15/in-die-welt-der-amazonen/

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